Eine Kritik von Porcupine eingetragen am 17.05.2006, seitdem 290 Mal gelesen
Sommer. Stille.
Sommerstille.
Da gibt es Horrorfilme über Horrorfilme. Sie bedienen Mythen, beherbergen Monster oder beleuchten die Psyche eines Killers. Zumeist brutal geht es zur Sache. Mitunter ist das, was gezeigt wird, so gewaltsam es auch sein mag, nicht so schlimm. Weil es die Gedanken des Zuschauers nicht erreicht. Weil es zu plump, zu schlicht ist.
Der französische Kurzfilm "Sommerstille" geht da anders vor. Der Name ist Programm. Sommer ist es die vollen 45 Minuten über. Stille so gut wie immer. Claire und Anna, geschätzte 20 Jahre alt, machen sich eine schöne Zeit. Bei Sonnenschein setzen sie sich in einen Bus und fahren aufs Land. Ihr Ziel, ein Ferienhaus, welches den Geigers gehört. Angeblich Bekannte und Freunde der Mädchen. Ein alter Mann, gerade im dortigen Garten beschäftigt, gewährt ihnen Zutritt in das Domizil, ihnen mitteilend, dass die Geigers verreist sind.
Das Ferienhaus ist also einsam und verlassen. Völlige Freiheit für die Mädchen. Sie machen es sich gemütlich, durchstöbern die unzähligen Zimmer des recht üppigen Gebäudes. Sie öffnen Fenster und Türen. Essen und Rauchen zusammen. Dann zur Abwechslung mal etwas Heiterkeit im sonst so stoischen Filmchen. Eine alte Adriano Celentano Platte wird aufgelegt. Claire und Anna tanzen wild und ausufernd zu diesen Klängen. Danach ist es Zeit, ins Bett zu gehen. Noch offenstehende Fenster und Türen werden geschlossen, die Lichter gedimmt. Doch dann. Plötzlich. Ein Schatten aus dem Dunkel. Durchatmen. War nur eines der beiden Mädchen. Trotzdem ist der Zuschauer erschrocken. Man zuckt zusammen. Doch alles halb so wild. Es ist ja nur ein großes Ferienhaus bei Nacht. Man ist allein und alles riecht fremd. Nach Moder und Fäulnis. Schwamm drüber.
Sie legen sich ins Bett. Reden. Sie greifen Gedanken auf, die der Zuschauer wohl gerade auch haben dürfte. Die wohl so gut wie jeder haben dürfte. Die Mädchen reden darüber, ob sie gerade Angst empfinden. Etwas unheimlich sei es, sagt die eine. Der Geruch nach Moder und Fäulnis erinnere sie an das Haus ihrer Großeltern. Dann entledigen sie sich ihrer Oberteile. Es ist zu warm.
Nun zeigt die Kamera einen längeren Schwenk durch das Dörfchen auf dem Lande. Langsam gleitet sie durch die einsamen, verlassenen Straßen. Es wird schon wieder heller. Dann wieder ein Schnitt ins Ferienhaus. Ein Schock. Vielleicht größer als jeder Effekt in einem durchschnittlichen Horrorfilm. Man wartet ab, was geschieht. Um dann zu merken, dass das Schlimmste eintritt. Danach herrscht wieder Stille. Doch diesmal ist diese Stille anders. Sie frisst einen auf. Und lässt einen einsam zurück.
"Sommerstille" ist nicht dieser unterhaltsame Horrorfilm. Hier braucht man kein Blut, keine mit Musik aufgepeppten, schnell geschnittenen Schockmomente. Man kann auch auf "herkömmliche" Art und Weise mit den Urängsten des Zuschauers spielen. Hier ist der Beweis. Es ist auch nicht wirklich ein Horrorfilm. Da ist diese eine Szene, die aus einem Dokumentarfilm über ein gemeinsames Wochenende einen Film macht, der einen mal kräftig Schlucken lässt. Auch wenn der Moment nicht lange dauert.
Alles deutet auf einen Kurzfilm hin, der die Freundschaft dieser Mädchen erzählt. Vieles schaut improvisiert aus. Minutenlang hält die Kamera ohne Zwischenschnitte auf die tanzenden Mädchen. Sonst passiert eben nicht viel. Man isst, man unterhält sich, man schweigt auch mal. Das ist alles nicht sonderlich unterhaltsam, aber für das ist das Kino an sich auch nicht immer da. Hier wird eben realistisch erzählt. WIE es passieren KÖNNTE. WAS passieren KÖNNTE. Das ist trotz 45 Minuten recht anstrengend und langatmig, doch geschieht einmal der wahre "Horror", denkt man da anders darüber.
Kein Film zur Unterhaltung, teilweise wirklich langweilig. Doch ist es einmal dunkel, beschäftigt man sich mit den Urängsten des Menschen. Treffende, kurze Dialoge. Und der Rest...seht selbst.
Es ist wohl unmöglich, eine Bewertung anhand einer Skala abzugeben. Da man den Film eigentlich weder als gut noch als schlecht einstufen kann.
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