Eine Kritik von Lesotho (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 08.07.2009, seitdem 1420 Mal gelesen
Jens Hoffmann, bislang eher durch Sportdokumentationen bekannt, widmet sich in der Dokumentation "9-5 Days in Porn" dem Schmuddelkind Hollywoods, der im benachbarten San Fernando Valley angesiedelten Pornoindustrie, die pro Jahr mehr Umsatz macht als z.B. alle US-Sportevents (2007: 12,8 Mrd $).
Am Beispiel von 11 Protagonisten (Agenten, Darstellern, Produzenten, Ex-Darstellern) schildert Hoffmann ihren Alltag, ihre Wünsche und Ängste über einen Zeitraum von 15 Monaten.
Und man sieht (keine wirkliche Überraschung), wie sehr doch diese scheinbar abgeschottete, übel "beleumundete" Szene nachvollziehbare Motive hat. Man wird aus drei Gründen Pornostar, so heißt im Film: weil man entweder Sex, Geld oder Ruhm mag (oder vielleicht alles zusammen). Alle diese Menschen haben ihre Träume, sind z. T. so schmierig wie man befürchtet und z. T. so nett (Pornostar Belladonna), wie man es nicht erwarten mag. Er trifft die selbstbewusste und schlaue Sasha Grey, die den Porno revolutionieren und enttabuisieren will, den gutmütigen Agenten Marc Spiegler, das Pornopaar Audrey Holland und Otto Bauer usw. Und er spart nicht mit geradezu beklemmenden Szenen bei Letzteren, wo man sich fragt, wieweit Audrey aus Liebe zu ihrem kiffenden Mann noch gehen würde, um sich weiter vor der Kamera demütigen zu lassen. Man trifft Mia Rose, deren Einsamkeit am Ende fast schon Herz zerreißend ist oder Jim Powers, einen Ex-Punkmusiker, der nun mit Handkamera White Trash Whores#36 dreht und dabei nur noch zynisch ist.
Über 5 Stunden Film hat Hoffmann zu einer ca. 100minütige Dokumentation eingedampft, so dass man ahnt, was sicherlich unter den (Schneide)Tisch fiel. Man hätte sicher zahllose andere Aspekte (wie geht es männlichen Darstellern? was unterscheidet große Produktionsfirmen wie Vivid von den gezeigten Produktionen? etc.) noch beleuchten können, doch Hoffmann ging es ausschließlich um die Personen hinter der Fassade.
Ich finde, dass Hoffmann mit seinem Film den richtigen Grat zwischen Distanz und Nähe geht. Alles kann nicht demütigend, abstoßend und erniedrigend an Porno sein, sonst würden nicht jedes Jahr tausende Titel und neue Starlets bereitstehen. Andererseits ist es ein eisenhartes Geschäft, das Illusionen und Sexwunschträume verkauft, ähnlich wie die große Schwester in Hollywood jenseits der Hügel. Ein Geschäft, in dem unsichere Menschen zerbrechen und andere Erfolg haben können.
Es ist die Frage, ob Hoffmann sich auf weniger Figuren hätte beschränken müssen, doch das halte ich für eine akademische Diskussion, denn schließlich bieten sich ihm so mehr Möglichkeiten, um eine Momentaufnahme dieser verpönten Industrie zu machen, deren Mitwirkende in all ihren Facetten so wie wir sind.
Am interessantesten finde ich persönlich die Frage, die die Ex-Darstellerin Sharon Mitchell (nun eine erfolgreiche Ärztin) stellt: "Was war zuerst da? Die Nachfrage nach immer extremeren Filmen oder das Angebot an diesen Filmen?". Wenn man einige Sequenzen von Dreharbeiten sieht, so hinterlässt einen diese Frage mit der größten Ungewissheit und Beklemmung- denn Porno ist (wie fast jedes andere Genre) auch ein Spiegel seiner Zeit. Und von daher sollten wir uns mehr Gedanken darüber machen...
Am Ende hinterlässt das Gesehene ein zwiespältiges Gefühl, aber ich denke, dass ist allemal besser und sinnvoller (und gewollt) als eine stumpfe Verurteilung oder eine peinliche, voyeuristische Studie.
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