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Inglourious Basterds (2009)

Eine Kritik von vodkamartini (Bewertung des Films: 9 / 10)
eingetragen am 22.08.2009, seitdem 3262 Mal gelesen



  „Triumph des Film(en)s - Operation Kino oder das Tarantino Attentat"

Als das jüdische Mädchen Shosanna aus dem Bauernhaus flieht, treten wir mit ihrem Verfolger hinaus ins Freie. SS-Oberst Landa, der Mörder ihrer Familie, wird eingerahmt von einem dunklen Türstock. Vor ihm erstrecken sich saftige grüne Wiesen. Die freie Natur bietet Shosanna inzwischen mehr Schutz wie die hölzernen vier Wände eines befreundeten Milchbauern ...

Willkommen im Hommagekino Quentin Tarantinos. Auch in seinem neuesten Werk Inglourious Basterds macht der zitierfreudige Kultregisseur keinen Hehl aus seinen  filmischen Vorbildern. Die ganze Szene ist ein Kniefall vor John Ford und seinem vielleicht besten Western. In The Searchers geht es um Hass sowie Rache und Vergeltung für menschliche Grausamkeiten. Auf einem gnadenlosen Rachefeldzug sind auch die „Basterds" ...
Noch vor der alliierten Großoffensive in der Normandie springt die jüdisch-amerikanische Sondereinheit hinter feindlichen Linien ab, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Ihr Anführer Lt. Aldo Raine fordert von jedem seiner Männer 100 Nazi-Skalps. Und wieder sind  wir beim „Schwarzen Falken" in dem nicht nur Indianer skalpieren. Natürlich ist Inglourious Basterds weit mehr Tarantino als John Ford. Die extravagante Plotidee in erster Linie ein Vehikel für den eigenwilligen Humor, die unnachahmlich skurrilen Charaktere und die  messerscharf geschliffenen, nur vordergründig geschwätzigen Dialoge. Natürlich darf auch die Hommage an Leones Spaghetti-Western und Morricones kongeniale Musikuntermalung nicht fehlen. Man hat Tarantino vorgeworfen, dass er diese Liebe schon erschöpfend geäußert hat. Das kann man getrost als Kritik um der Kritik willen abtun. Wenn die Eingangssequenz von Zwei Glorreiche Halunken dermaßen gekonnt und treffsicher zitiert wird, dann kann es eigentlich nur einen Gedanken geben: mehr davon!

Auch der in den letzten Jahren häufig zu hörende (berechtigte) Vorwurf, der Meister hätte sein kreatives Pulver endgültig verschossen und reproduziere nur noch selbstverliebt und einfallslos den bewährten Tarantino-Style, dürfte nach Inglourious Basterds abrupt verstummen. Nichts ist zu spüren von der gähnenden Langeweile und der bleiernen Redundanz in Kill Bill 2. Vergessen ist das inhaltslose und öde Dauergeschwätz der PS-Girlies aus Death Proof. Trotz seiner enormen Dialoglastigkeit und der ordentlichen Lauflänge von zweieinhalb Stunden fesselt der unkonventionelle Weltkriegsthriller bis zum Schluss. Das liegt vor allem am Autor Tarantino. Wie in seinen besten Filmen erzeugt er Spannung nur selten durch äußere Ereignisse, unterhält kaum mit überraschenden Storytwists, sondern hält den Zuschauer durch das gesprochne Wort und fein ausgearbeitete Charaktere bei Laune.
Die Konventionen des US-amerikanischen Kriegsfilms stellt er damit kurzerhand und mit sichtlichem Spaß am politisch unkorrekten Spiel auf den Kopf. Während die titelgebenden Basterds vornehmlich aus tumben Schlägern bestehen die ihre brutale Mission zwar zielstrebig, aber ohne jegliche Raffinesse verfolgen, zeichnen sich ihre Nazi-Gegenspieler durch Eloquenz, Intelligenz und Einfallsreichtum aus. Vor allem der als „Judenjäger" berüchtigte Oberst Landa lässt seine verbalen Kontrahenten regelmäßig wie grenzdebile Hinterwäldler wirken. Charmant lächelnd parliert der kultivierte SS-Oberst mühelos in vier Sprachen, nur um den stets hoffnungslos unterlegenen Gegner im richtigen Augenblick mit Worten in Fetzen zu schießen. Es sind die mit Abstand am besten geschriebenen Dialogpassagen, die Tarantino seit langem hervorgebracht hat. Süffisanter Spott, beißende Ironie und ätzender Sarkasmus machen Landas Verhöre zu den unangefochtenen Höhepunkten des Films.

Dass diese Rechnung so perfekt aufgeht, liegt auch an Tarantinos nach wie vor unglaublichem Gespür für ausgefallene Besetzungscoups. Der lediglich im deutschsprachigen Raum leidlich bekannte Österreicher Christoph Waltz gibt eine phantastische Vorstellung als perfider SS-Mann. Mit einem unfassbaren Gespür für feinste Nuancen in Tonfall, Gestik und Mimik seiner hochintelligenten und durch und durch psychopathischen Figur, spielt Waltz den restlichen Cast um Superstar Brad Pitt mit Verve an die Wand. Der Darstellerpreis bei den Filmfestspielen von Cannes dürfte erst der Auftakt gewesen sein.
Überhaupt blühen vor allem die deutschen Mimen unter Tarantinos Regie spür- und sichtbar auf. So merkt man beispielsweise Daniel Brühl die Spielfreude in jeder seiner Szenen deutlich an. Als von Goebbels Propaganda-Maschinerie instrumentalisierter Kriegsheld Friedrich Zoller punktet er mit naiv-jugendlichem Charme, der sich letztlich nur als Maske für Arroganz, Selbstverliebtheit und ein ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl entpuppt. Einen ähnlich starken Eindruck hinterlässt August Diehl in einer Nebenrolle als aalglatter SS-Major Hellström. Wie Landa durchschaut er in Sekundenbruchteilen seine Gegner und treibt dank seiner überlegenen Intelligenz ein lediglich für ihn spaßiges Spiel, bevor er lustvoll zum vernichtenden Schlag ausholt.
Die amerikanischen Kollegen fallen dagegen deutlich ab. Allerdings sind ihre Charaktere auch erheblich reißbrettartiger entworfen und wirken recht eindimensional. Brad Pitt hat noch den dankbarsten Part als minderbemittelter Basterds-Anführer mit breitem Hillbilly-Slang. Hostel-Regisseur Eli Roth bringt seinen Baseball-Schlächter-GI weit weniger überzeugend. Seine Besetzung ist wohl aber auch eher als durchaus origineller (Insider-)Gag zu werten. Der Rest der Bande ist weitestgehend gesichtslos. Einzig Til Schweiger als Wehrmachts-Überläufer kann ein paar Akzente setzen, aber da wären wir ja auch wieder bei den deutschen Darstellern.

Letztlich führen sowohl Titel wie auch die vorab gezeigten Trailer in die Irre. Inglourious Basterds ist trotz einiger expliziter Szenen alles andere als eine bluttriefende Gewaltorgie. Wer eine trashige Nazi-Exploitation-Sause im Stile italienischer B-Machwerke der 60er und 70er-Jahre erwartet, wird ebenfalls heftig enttäuscht sein. Vielmehr entfaltet Tarantino in fünf Episoden eine nicht ganz ernst gemeinte, kunstvoll arrangierte Nazi-Satire, die trotz ihrer exaltierten Inszenierung  immer wieder Momente bittersten Ernstes produziert. Obwohl die Story natürlich historischer Mumpitz ist, nimmt der Regisseur Mechanismen und Auswirkungen des Nazi-Terrors genauestens unter die Lupe. Zur Vorbereitung hat Tarantino u.a. Goebbels Tagebücher gelesen, um ein Gespür zu bekommen wie der Propagandaminister tickte. Trotz seiner märchenhaften und teilweise überkandidelten Ausrichtung ist dem Film die historische Recherche durchaus anzumerken.

Darüber hinaus ist Inglourious Basterds eine Hommage an das deutsche Kino der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Fan von Fritz Lang und der Ufa dürfte das Drehen in den Babelsberger Studios ein rauschhaftes Erlebnis für Tarantino gewesen sein. Seine Bewunderung für Hitlers Lieblingsregisseurin Leni Riefenstahl ist ohnehin kein Geheimnis. In Inglourious Basterds huldigt er neben dem Stummfilmklassiker Metropolis vor allem ihr beim großen Finale in einem Pariser Kino. Regiekollege G.W. Pabst (der auch im deutschen Nachkriegsfilm große Erfolge feierte) hat ebenso seinen Auftritt, wie die mit den Nazis kooperierende deutsche Schauspiellegende Emil Jannings. (Ganz nebenbei beeindruckt Tarantino mit einer  kleinen, aber feinen Referenz an die deutsche Popkultur. Der edle Apache Winnetou dürfte nicht allzu vielen US-Regisseuren ein Begriff sein.)

Die Liebe zu Filmkunst und Kino - so die von Shosanna auch wörtlich geäußerte Message - sind letztlich ideologieresistent und völkerverbindend. Es ist dies die originellste Idee des Drehbuchs, den finsteren Nazi-Spuk durch die Macht des Kinos zu Fall zu bringen. So ist der eigentliche Hauptstrang des Plots auch nicht die blutige Schnitzeljagd der Basterds, sondern ein Komplott zur Vernichtung der gesamten NS-Führungselite.
Der Zufall will es, dass Goebbels (Sylvester Groth) die Premiere seines neuesten Propagandastreifens „Stolz der Nation" in einem kleinen Pariser Kino veranstaltet. Sein Hauptdarsteller Friedrich Zoller hat ihn dazu überredet. Der wie ein Schuljunge verknallte Zoller hofft, so endlich die bisher überaus spröde Kinobetreiberin zu knacken. Was er nicht weiß: die Angebetete ist die eingangs Landas Mordkommando entkommene Shosanna (Mélanie Laurent). Als sich die komplette Nazi-Elite mitsamt Hitler ankündigt, sieht sie ihre große Chance auf Rache gekommen. In ihrem Kino lagern hunderte Rollen des extrem schnell entflammbaren Nitrofilms. Während der Vorstellung plant sie das Publikum im zuvor verriegelten Kino abzufackeln. Simultan planen die Basterds einen Sprengstoffanschlag an gleicher Stelle. Aber deren ausgetretene Spur hat der gerissene Landa längst aufgenommen ...

Mit Inglourious Basterds holt Quentin Tarantino den mit seinen letzten beiden Filmen verspielten Kredit im Handstreich zurück. Brillant geschriebene Dialoge, grandiose Schauspielleistungen und ein aberwitzig-subversiver Umgang mit den Schrecken des Nationalsozialismus dürften den Eintagsfliegenvorwurf endgültig abschmettern. So muss politisch unkorrektes Erwachsenenkino aussehen: derb, brutal, hintersinnig, intelligent und wohldosiert gewürzt mit filmhistorischen Reminiszenzen und Verbeugungen. Ach ja, David Bowies New Wave Klassiker Cat People dröhnt im genial inszenierten Grande Finale in einer perfekten Symbiose von Bild und Ton aus allen Lautsprechern. Danke auch dafür. Am Ende siegt das Kino über die Naziherrschaft, wird das Grauen in einem riesigen Zelluloidfeuerball abgefackelt. Wahrlich ein „Glorious Bastard" von einem Film.

(9/10 Punkten)


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