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Scharlachrote Buchstabe, Der (1973)

Eine Kritik von whgreiner (Bewertung des Films: 9 / 10)
eingetragen am 19.02.2021, seitdem 133 Mal gelesen



Hans Christian Blech war zeitlebens ein Qualitätsgarant: mir ist nicht ein einziger, schlechter oder auch nur mittelmäßiger Film bekannt, an dem er mitgewirkt hätte. Die wenigen Filme, in denen er eine Hauptrolle spielte, sind eine Klasse für sich - so auch hier. Im Gegensatz zu Roland Joffés amerikanischer Verfilmung von 1995 ist Wim Wenders hier besprochene Verfilmung von Hawthornes "The Scarlet Letter" leider - und sehr zu unrecht - nahezu in Vergessenheit geraten.

Nathaniel Hawthorne beschreibt in seinem berühmten Roman eine Episode gegen Ende des 17. Jahrhunderts, in der von Puritanern gegründeten Stadt Boston, Massachusetts: Hester Prynne (Senta Berger), eine unglücklich gegen ihren Willen verheiratete, junge Frau, wird von ihrem viel älteren Mann, einem Arzt, nach Boston vorausgeschickt, um dort die geplante Niederlassung des Paares vorzubereiten. Sie kauft ein verlassenes Haus außerhalb der Stadt, hoch über den Klippen. Das Schiff, mit dem Hesters Gemahl nachkommen wollte, wird aber von Indianern gekapert; alle, die darauf waren, gelten als tot.

Der junge Pastor Arthur Dimmesdale (Lou Castel), der sich heimlich in die schöne, junge Frau verliebt hat und unter dieser Leidenschaft in einen schrecklichen, moralischen Zwiespalt gerät, überbringt Hester die Todesnachricht, die aber von der jungen Frau eher als Befreiung erlebt wird. Als sie von Dimmesdale erfährt, dass die von der puritanischen Gesellschaft vorgeschriebene Trauerzeit für Witwen sieben Jahre beträgt, entschließt sie sich spontan, sich dem zu widersetzen, und wird mit dem Reverend noch in derselben Nacht intim.

Die Liebesnacht bleibt nicht ohne Folgen: Hester wird schwanger. Damit geraten sowohl die werdende Mutter als auch der Reverend in höchste Lebensgefahr, denn auf "Ehebruch" steht in der puritanischen Gesellschaft der Tod am Galgen. Als Hester ihren Zustand nicht mehr verheimlichen kann, wird sie festgenommen und des Ehebruchs angeklagt. Im Gefängnis bringt sie ihr Kind - eine Tochter, der sie den Namen "Pearl" gibt - zur Welt, weigert sich aber standhaft, den Vater des Kindes zu nennen. Nach einem halben Jahr wird sie schließlich mitsamt ihrem Kind doch wieder freigelassen - aber mit der Auflage, ständig ein großes, scharlachrotes "A" "für "Adultery", also Ehebruch/Unzucht auf der Brust zu tragen und - verfemt und mit Kontaktverbot zu den Stadtbewohnern, außer zu den unbedingt nötigen Besorgungen - alleine mit dem Kind außerhalb der Stadt zu leben.

Mehrere Jahre gehen so ins Land, in denen Hester Prynne lernt, ihr "Schandmal" wie ihre gesamte Situation mit Würde, ja sogar mit einem gewissen Stolz zu tragen: "Das steht für eure Schande, nicht für die meine!" Pearl - Yella Rottländer spielt ihre anspruchsvolle, kindliche Rolle eindrucksvoll authentisch - erweist sich als schwieriges, eigensinniges Kind, das zudem unter der gesellschaftlich auferlegten Isolation leidet. Hester bemüht sich mit Hingabe, das Mädchen trotz der schwierigen Bedingungen liebevoll und kompetent großzuziehen; zeitweise muß sie darum kämpfen, Pearl überhaupt weiter in ihrer Obhut behalten zu dürfen. Jeweils nach Ablauf eines Jahres wird sie erneut auf den "Schandplatz" - eine Art öffentlicher Pranger, auf dem auch der Galgen steht - zitiert und wieder unter Drohungen nach dem Vater ihrer Tochter befragt, um ihn zu bestrafen. Jahr für Jahr bleibt sie standhaft.

Entgegen der offiziellen Vermutung hat Hesters Ehemann den Indianer-Überfall überlebt; er wurde von den Indianern gefangengenommen, lebte jahrelang bei ihnen und ließ sich von ihnen ihre Sprache und ihre althergebrachte Medizin lehren. Erst nach sechs Jahren - Pearl ist fünf Jahre alt - kann er sich mit einem indianischen Begleiter nach Boston begeben, um seine Frau zu suchen.

Im Gegensatz zu der amerikanischen Filmversion, die diese gesamte Geschichte in typischer Hollywood-Manier mit Herz, Schmerz, Sex und Abenteuer zwei Stunden lang breit auswalzt, setzt Wim Wenders hier besprochene Verfilmung erst an dem Punkt an, als Dr. Prynne - er nennt sich nun "Dr. Chillingworth" - Boston erreicht und seine von ihm sehnlich geliebte Frau nach der langen Zeit erstmals wieder sieht: ausgerechnet auf dem Schandplatz, während der gerade wieder stattfindenden, jährlichen Befragung nach dem unehelichen Vater ihres Kindes.

Hier wird sofort der grundlegende Unterschied zwischen den beiden Verfilmungen klar: während Roland Joffe die Geschichte - trotz teils unnötig brutaler Bilder - als insgesamt leichtverdauliche Kost für den Durchschnittskonsumenten ausbreitet, geht Wim Wenders akribisch ins Detail und analysiert die Psychologie der Beteiligten geradezu unter der Lupe. Die wortlose Szene, in der Senta Berger als "Hester" bei einem kurzen Seitenblick ihren Mann erkennt, vor Schreck blass wird und Mühe hat, vor der versammelten Gesellschaft Fassung zu wahren, während Hans Christian Blechs (Dr. Chillingsworths) Gesicht in Erkenntnis der ganzen Situation ungläubig versteinert - das ist wirklich ganz großes Kino, Regie und Schauspielkunst vom Allerfeinsten!

So ist dann auch der Dr. Chillingworth in Wim Wenders Film nicht nur der eifersüchtige, brutale Wüterich - und damit einer der "Bösen" - wie in der amerikanischen Verfilmung, sondern auch ein Opfer der Verhältnisse, hin- und hergerissen zwischen der Loyalität zu der von ihm noch immer geliebten Frau und der Wut auf den Nebenbuhler, den er nun zu beseitigen sucht. Dass es der Reverend ist, ahnt er schon bald, was ihn freilich nur noch mehr in Gewissenskonflikte stürzt, weil er sich mit dem Pastor als sein Arzt und Mitbewohner inzwischen angefreundet hat... Als Hester ihm schließlich die Wahrheit sagt und ihn flehentlich bittet, den Vater um des Kindes willen zu verschonen ("Dir ist Unrecht geschehen; du könntest verzeihen!"), weiß er es längst, kann aber nicht über seinen Schatten springen. Er schüttelt nur kurz den Kopf - "Nein."
Trotzdem ist nicht er derjenige, der die Rache schließlich vollzieht. Der Pastor richtet sich selbst: vor versammelter Kirchengemeinde gibt er sich freiwillig in die Hände seiner Henker.

Wim Wenders zieht mit schlichter, intensiver Bildersprache und einfühlsamer Regie den Zuschauer magisch in den Bann der Geschehnisse; alle Haupdarsteller tun mit ausnahmslos exzellenter Schauspielkunst das ihre dazu. Etwas fremd und skurril - weil für den unbelesenen Zuschauer unverständlich - bleibt nur Yelena Samarina als Harriet Hibbons, mit der sich die verfemte Hester gegen alle Verbote angefreundet hat. Das liegt freilich nicht an der Darstellerin, die ihre Rolle sehr wohl glaubhaft und in sich stimmig spielt, sondern am Setting: um die Bedeutung dieser Figur (und auch sonst mancher Details) zu verstehen, sollte man vorher den Roman gelesen haben. Überhaupt setzt Wim Wenders mit diesem Film die Kenntnis der Geschichte voraus, er illustriert, verfeinert und vertieft sie noch mit den Mitteln des Films, anstatt - wie die amerikanische Version - den Film konsumfreundlich an die Stelle des Romans zu setzen. Abschließend sei deshalb die Lektüre des Romans wärmstens empfohlen, bevor man den Film anschaut. Beides lohnt sich - letzteres um so mehr dann, wenn man den Roman kennt.


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