Eine Kritik von eagle_vision (Bewertung des Films: 8 / 10) eingetragen am 24.10.2006, seitdem 612 Mal gelesen
Irreversibel
Der nächste Film in unserer berühmt-berüchtigten Filmreihe "die-Toleranzgrenze-des-eigenen-Nervenkostüms-austesten".
Nachdem schon "The Hills have Eyes" durchaus den Atem angesichts urplötzlicher, extrem heftiger Gewaltausbrüche zuzuschnüren vermochte (welcher aber in letzter Konsequenz doch "nur" ein ziemlich humorloses Splatterfest ist) nun also "Irreversible". Viel konnte man schon über Gaspar Noes Film vernehmen, Kritik wie Lob gleichermaßen, aber eins war klar: Der Film lässt niemanden wirklich kalt. Es soll ja Stimmen
gegeben haben, nach denen Leute ohnmächtig wurden, aus dem Kino flüchteten oder es gar bereuen den Film gesehen zu haben, weil ihnen noch nie so schlecht war. Nun denn: Der Film ist der zweite mir bekannte Film nach "Memento" der seine Geschichte konsequent rückwärts erzählt. Erstaunlicherweise bleibt man als Zuschauer aber dabei eher am Ball als bei dem anderen Vertreter dieser Filmzunft, denn die Handlung an sich ist nicht so anspruchsvoll. Der Film fängt mit dem überaus wuchtig und famos verstörendem Ende der
Geschichte an und rekonstruiert dann im Rückwärtsgang die Geschehnisse die dazu führen. Dabei werden die Charaktere näher beleuchtet und in gewissen Szenen und Einstellungen als auch bei bestimmten Charakteren wird erst durch diese
Erzählstruktur wirklich das ganze Ausmaß des Konfliktes ersichtlich. Eine Explosion von Hass und Rache die über
den Zuschauer hereinbricht, eine menschliche Wucht sondergleichen. Sätze wie "Geh mal mehr aus dir heraus" bekommen rückblickend, mit dem Wissen um das Ende der Geschichte, eine ganz bittere Bedeutung zugeschrieben.
Mehr verrate ich nicht.
Der Film gaukelt außerdem irgendwie auch ein
Happy-End vor. Doch je friedlicher die ganze Szenerie mit
fortschreitender Filmdauer wird, umso mehr schmerzt es dem Zuschauer, denn dieser weiß, anders als die Charaktere im Film, was noch auf sie zukommen wird. Was passieren wird, was kaputtgehen wird. Somit ist es gerade das Rückwärtserzählen, welche die Geschichte so eindrücklich
macht.
Die gezeigte Gewalt ist rein vom Splatter-/Blutfaktor nicht so hoch wie bei einem ausgewiesenen echten Vertreter des blutigen
Genres. Was sie aber dennoch ungemein hart und letztendlich so schockierend erscheinen lässt, ist ein gewisser, hoher Grad an Realismus gepaart mit der Eigenschaft der Kamera, einfach nur kommentarlos das Geschehen mitanzustarren. Über die Gewaltszenen will ich nicht weiter schreiben, nur das im Zusammenhang mit diesem Film berühmte Stichwort Vergewaltigung" soll hier nochmal eingeworfen werden.
Ganz, ganz hart und absolut nichts für Zartbesaitete und eigentlich geschmackstechnisch schon jenseitig.
Das Menschen einander so etwas antun können raubt einem fast schon den Glauben an all die positiven Aspekte im Leben.
Handwerklich lässt man sich, ähnlich der inhaltlichen Ebene, nicht lumpen: Die Kamera vollführt ungemein schwindelerregende Manöver wie sie nur ein Akrobatik-Kampfjetflieger hinbekommt und das fast zu jeder Zeit und gerade am Anfang des Films permanent. Und sie dreht und dreht und dreht sich immer und immer wieder und erzeugt im wahrsten Sinne des Wortes einen Bildersog der einen in die ganz natürlich existierende, wahre Hölle nimmt. Nämlich der in den menschlichen Abgründen. Das anfangs allgegenwärtige Rot unterstreicht die paranoide Stimmung und die Soundkulisse tut ihr übriges. Im Grunde eine Art real-life Silent Hill. Sehr intensiv und verstörend, fast schon unerträglich. Bemerkenswert auch, wie die einzelnen Szenen scheinbar ohne einen einzigen Schnitt
auskommen. Damit wird die visuelle Tour-de-Force komplettiert.
Die Schauspieler sind allesamt als mutig zu bezeichnen, in solch einem Film mitzuspielen, allen voran Monica Bellucci. Die Leistungen sind def. exzellent!
Abschließend müsste man jetzt noch erörtern ob ich nun bereits vollkommen ein abgestumpftes Wrack bin oder nicht. Trotz
der Härte und Wucht, sowohl des Gezeigten als auch die Art und Weise wie es gezeigt wird, muss ich sagen, dass ich jetzt nicht nachhaltig gestört bin. Auch fühl ich mich nicht wirklich schlecht und bereue auch nicht den Film gesehen zu haben.(anders als andere, was man ja vernehmen konnte)
Im Gegenteil: Hartgesottenen Interessierten sei er zu empfehlen, alle die sich mal auf ein Wagnis einlassen möchten, können dies ruhig tun. Aber bitte jeder auf eigene Gefahr.
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