Eine Kritik von png eingetragen am 25.08.2006, seitdem 757 Mal gelesen
Die simplen Strukturen sind schon fast erschreckend.Dieabschätzige Perspektive, die viele Hongkong-Filme auf die in Hongkong nicht gerade geliebten Einwanderer und Flüchtlinge vom Festland, sprich aus der Volksrepublik China, reflektierten, hat sich seit der Übergabe der ehemaligen Kronkolonie an das von Pseudo-Kommunisten regierte Völkergefüge China noch zusehends verdüstert. In Hongkong operierende Mainland-Gangs waren schon immer ein beliebtes Motiv des Hongkong Kinos gewesen, das bestens mit dem Integrationsbedürfnis der Chinesen in der Kronkolonie korrespondierte, indem das durch den kolonialen Status beeinträchtigte Nationalgefühl hofiert und sich dazu auch von den kultur- und identitätszersetzenden Einflüssen aus der kommunistisch pervertierten Volksrepublik distanziert wurde.
Hoffnungsloser als Tsang Kan-Cheung in seinem INTRUDER kann man ein Situationsmodell nicht entwerfen. Abends. Nachts? Draußen ist es bedrohlich dunkel. Im Haus plaudern zwei Frauen recht ungezwungen, bis eine sich offensichtlich recht spontan dazu entscheidet, der anderen auf recht drastische Art und Weise den Gar auszumachen. Es geht der Mörderin um die Papiere des Opfers, um ihre Identität. Die Tote ist Bürgerin Hongkongs. Und mit ein paar leichten kosmetischen Korrekturen aus dem Schminkkasten, sieht ihr die Mörderin fast zum Verwechseln ähnlich. Es ist ein Kinderspiel, die Grenzposten zu täuschen. Dann steht sie in den Straßen Hongkongs und versucht sich zu orientieren. Von einem Hotelzimmer aus telefoniert sie einen Katalog von Visitenkarten und Telefonnummer vermeintlicher Freunde ab, doch die - wahrscheinlich Freier, die in den grenznahen Orten der Volksrepublik China billigen Sex gesucht haben - geben allesamt vor, sie nicht zu kennen oder lassen sich verleumden. Auf dem Strich lernt sie einen Taxifahrer kennen. Er möchte mit ihr anbandeln, doch weiß er noch nicht, auf wen er sich da eingelassen hat. Ihr scheint er ein ideales Opfer. Allein wohnt er in einem sehr abgelegen Haus - sein einziger intensiverer sozialer Kontakt sind die sporadischen Besuche seiner Mutter, die auch die Erziehung der kleinen Tochter des hoffnungslosen Sohnes übernommen hat.
Nach einem von der Festlandsmörderin, die übrigens von der (nach „Beyond Hypothermia“ erneut) herrlich gegen ihr Zuckerpüppchen-Image besetzten Wu Chien Lien verkörpert wird, verursachten Unfall, ist der Taxifahrer durch gleich doppelten Beinbruch nicht gerade mobil, und das erleichtert es ihr ungemein, ihn zum Spielball ihrer so sinnlosen und nicht begründeten Folter und Erniedrigungen zu machen.
Der Film entsetzt durch das Fehlen einer bis zum Finale nicht zugebilligten Antwort auf die Frage nach dem Warum für diese bis dahin ausschließlich in ihrem Selbstzweck begründeten Quälereien des Taxifahrers, die durch das emotionslose Auslöschen seiner Mutter und die geplante Ermordung seiner kleinen Tochter kontrastiert nur noch willkürlicher wirken. Daß da einfach noch mehr im Busch sein muß, wird dem Zuschauer lediglich durch die häufigen Telefonate vermittelt, die unsere erbarmungslose Protagonistin mit einem Mann führt, dem sie irgendwie hörig scheint. Dieser, so wird dann in Rückblenden erhellt, ist ihr Ehemann, der ebenfalls die Flucht aus der VR China plant. Stück um Stück erfährt man auch die Hintergründe ihrer Flucht. Seit sich das Paar gegen eine Gruppe Vergewaltiger verteidigt und dabei ein Blutbad angerichtet hat, steht es auf der schwarzen Liste der Polizei, deren Hunde auch die Hände des Mannes zerfleischt haben.
Eine direkte Beziehung zwischen der Unmenschlichkeit des Systems und den Monstern, die es erschafft, ist in INTRUDER nur allzu deutlich. Der Charakter Wu Chien Liens is made in China. Der Titel „Eindringling“, der sich natürlich auf das Eindringen Wu Chien Liens in das Leben des Taxifahrers und die daraus folgenden fatalen Konsequenzen bezieht, wird so ohne große Probleme übertragbar auf den anhaltenden Flüchtlingsstrom aus China. Quasi werden Immigranten generell unlautere Motive für ihre Zureise unterstellt. Es wäre sicherlich voreilig, solche Bezüge auf das reale Image der Republikflüchtlinge an einem einzigen Film festzumachen, doch INTRUDER ist durchaus Teil eines Trends. Hongkong hat sich, trotzdem die Asienkrise inzwischen längst keine Schlagzeilen mehr macht, noch immer nicht von den Konsequenzen des ökonomischen Einbruchs erholt. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist katastrophal und der individuelle Raum des Einzelnen in der „Sonderzone“ Hongkong schrumpft kontinuierlich. Löhne fallen, Lebenskosten steigen und langsam aber beständig radiert die unter dem starken Einfluß Pekings stehende Regierung an den demokratischen Rechten, die den BürgerInnen Hongkongs erst wenige Jahre vor der Rückgabe der Kronkolonie an das Mutterland zugestanden wurden. Die Stimmung ist nicht gut in Hongkong und es ist wahrlich zivilisatorische Tradition, in solchen Zeiten nach einem Sündenbock zu suchen.
aus dem Beitrag: Deadly VR China Dolls png 44, 1999
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