Eine Kritik von Maichklang (Bewertung des Films: 4 / 10) eingetragen am 25.01.2021, seitdem 88 Mal gelesen
Es klingt wie ein wandelndes Klischee, wenn eine Psychotherapeutin aufgrund zu großer Belastung selbst therapeutische Hilfe benötigt und anbei regelmäßig einen Gesprächskreis trockener Alkoholiker besucht. Die französische Regisseurin Justine Triet driftet mit ihrer Charakterstudie zwar ab und an in bizarre Momentaufnahmen ab, will aber letztlich zu viele Unterthemen abhandeln.
Seit zehn Jahren arbeit Sibyl (Virginie Efira) als Therapeutin, doch nun will sie sich ihrer eigentlichen Leidenschaft, dem Schreiben eines Romans widmen. Als Inspirationsquelle hierfür dient die Schwangerschaft ihrer Klientin Margot durch ihren Schauspielkollegen Igor, welcher zugleich mit der Regisseurin (Sandra Hüller) liiert ist. Als Margot am Set die Nerven zu verlieren droht, muss Sibyl einschreiten und wird dadurch in die Dreiecksgeschichte eingebunden…
Die nicht lineare Erzählweise erschwert anfangs den Zugang zur Titelfigur, denn zunächst werden Fragmente ohne sonderlichen Kontext in die Runde geworfen. Ein Verleger taucht nur in der allerersten Szene auf und spielt eigentlich überhaupt keine Rolle, der vermeintliche Selbstmord der Mutter wird fast beiläufig erwähnt und dann gibt es noch eine der beiden Töchter aus einer vorherigen Beziehung, welche in Rückblicken eingebunden wird. Die erste halbe Stunde gestaltet sich überambitioniert und gleichzeitig wenig informativ.
Deutlich wird nur: Sibyl steht und stand unter Druck auf vielen Ebenen und hat sich bislang durch Verdrängung eine halbwegs klare Linie bewahrt, welche nun mehr und mehr zu verschwimmen scheint, zumal Meta-Ebenen diverse Male ineinander übergehen. Spätestens am Filmset, als Sibyl für kurze Zeit als Ersatzregisseurin tätig wird und die Fäden so zieht, wie es anderweitig auch eine Romanautorin für sich behaupten kann. Wobei die Filmszenen auf der italienischen Vulkaninsel Stromboli inszenatorisch, als auch in Sachen Humor zu den wenigen Highlights zählen.
Denn nach einem zähen Einstieg gestaltet sich der Rest ebenso unausgegoren. Es gibt unnötig lang gezogene Erotikeinlagen vorm Kamin oder Teile von Sitzungen mit einem Jungen beim Monopolyspielen, die das Innere der Hauptfigur wenig bis gar nicht erörtern, während entscheidende Aspekte wie das Verhältnis zur Schwester oder zum aktuellen Lebensgefährten deutlich zu kurz kommen. So wirkt denn auch die finale Wendung Sibyls nicht wirklich nachvollziehbar, das Sprunghafte bleibt bis zuletzt erhalten.
Ohne die angenehm bodenständig performende Efira würde die Chose wahrscheinlich binnen kurzer Zeit gegen die Wand gefahren, denn die trägt die Erzählung mit all ihren Facetten sehr überzeugend vor. Sandra Hüller als einzige Deutsche im Team setzt als hysterische Regisseurin ebenfalls Akzente und heimst die wenigen Schmunzler in Form einiger bissiger Kommentare ein. Die übrigen Mimen performen okay, wobei auffällt, dass die Herren allesamt nur zweckdienlich eingesetzt werden, - schließlich ist „Sibyl“ auch, aber nicht nur ein Frauenfilm.
Und für den muss man sich binnen kurzer Zeit begeistern können, ansonsten dürfte es mit dem Zugang schwer werden. Obgleich die Story bisweilen die Gefilde einer Selbstfindungsgroteske streift, geht es nur selten interessant und noch seltener spannend zu, weil es schlicht zu viele Unterpunkte gibt, die sich gegenseitig ausbremsen.
4,5 von 10
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