Eine Kritik von Con Trai (Bewertung des Films: 5 / 10) eingetragen am 24.11.2020, seitdem 458 Mal gelesen
Jackie Chan als global weiterhin ein bekannter und sicher auch noch gefragter Name, in Hongkong mittlerweile Persona non grata, in der Volksrepublik China sah es eine ganze Weile lang so aus, als ob der zweite Frühling (oder der dritte?) sprießt, wenn man sich die Einspielergebnisse bis ca. 2017 so anschaut und was auch durchaus gute Qualität der Erzeugnisse ergab, abgesehen vom ausgerechnet erfolgreichsten Vertreter Kung Fu Yoga (2016), der hiermit nun seine Art Nachfolger vorstellt. Vanguard selber, vom gleichen Regisseur und damit dem alten Weggefährten Stanley Tong und in von Produktion und Marketing angepeilte Richtung zu dem vorherigen Abenteuer, allerdings inhaltlich unabhängig gedreht, gehört zu einer Reihe von finanziellen Fehlschlägen oder zumindest Underperformern, war man teils zu früh dran (Bleeding Steel 2017 vor der – bislang sehr kurzen – Science fiction Akquise des Landes), teils zu spät (The Knight of Shadows: Between Yin and Yang 2019 nach dem Abflauen der Fantasy):
Die Vanguard-Truppe, eine private, international operierende Sicherheitsfirma unter Leitung von Tang Huanting [ Jackie Chan ] verhindert in London die Geiselnahme des Klienten Qin Guoli [ Jackson Lou ] durch die Männer von Broto [ Brahim Achabbakhe ] und seinen 'Arctic Wolves', die im Auftrag des 'Brotherhood of Vengeance' - Anführer Omar [ Eyad Hourani ] agieren. Nur kurz von der Niederlage beeindruckt, machen sich die Gauner folgend an die Entführung von Qins Tochter Fareeda [ Xu Ruohan ], wobei ihnen auch der zum Schutz einschreitende Vanguard Lei Zhenyu [ Yang Yang ] in die Hände fällt. Tang, Leis bester Freund und Kollege Zhang Kaixuan [ Allen Ai Lun ] und die Partnerin Mi Ya [ Miya Mu-Qi ] machen sich an die Befreiung aus einem Wüstenstaat auf.
Vanguard speiste sich (wie auch der noch auf Halde liegenden X-Traction mit ursprünglich Sylvester Stallone, jetzt John Cena) zumindest in den zahlreichen Trailern und dem Poster aus den modernen militärischen Werken um die beiden Wolf Warrior und Operation Mekong respektive Operation Red Sea, was derzeit auch nicht mehr bedient wird, da momentan bei den Chinesen der Sinn nach altmodischen Kriegsfilmen steht. Zudem kam natürlich die Vertagung der Veröffentlichung von ursprünglich geplant Ende Januar des Jahres zum Chinesischen Neujahrsfest (möglicherweise) als negativer Faktor zu tragen, obwohl damals die zeitgleiche Konkurrenz deutlich stärker war, beim späteren Start im Oktober allerdings Sitzplatz- und andere Be- und Einschränkungen vorhanden sind.
In den letzten vielen Jahren auffällig und durchaus im positiven Sinne ist die Chansche Methode, altbekannte Zusätze seiner langen Karriere zwar sicher immer wieder erneut zu bringen, eventuell, aber wenn dann auch nur geringfügig zu variieren, aber eben auch andere Genres oder Genrezusätze anzutesten, gleichzeitig Schritte zurück also und dennoch kleinere Spuren auch nach vorn. Hier erinnert die Kombination aus ihm und Tong als leitender Regisseur und ehemaliger Stuntman bzw. Action Choreograf schon eingangs v.a. an First Strike (1996) und deren vergleichsweise glorreichen Zeiten, ein globales Unternehmen mit allerlei Schauplatzwechseln in alle Herren Länder, dazu Massen-, Event- und andere Aufwandsszenen, plus dem obligaten Plot zur Bekämpfung des eher größer angelegten Verbrechens, eine Mischung aus Actionthriller mit wenig Plot und viel Klischees und Abenteuerspielplatz in bonbonbunten Farben, immer etwas drüber, aber nicht allzu kindisch und phasenweise als durchaus knalliges Gelingen in einer Art Spionageplot geschehen. So startet man auch hier in einer Metropole, London, natürlich direkt zum Neujahrsfest, welches bei zeitgerechten Erscheinen des Filmes ein Déjà-vu für die Zuschauer, möglichst die gesamte zahlende Familie ausgelöst hätte, und nun der erzwungenen Verzögerung Rechnung trägt. Dafür ist die erste Mission der Vanguards ein fliegender Start, aus der Freizeit und der Feierlichkeit hinaus, muss die (gewaltsame) Entführung des VIP Paares verhindert werden und ein mit zusätzlichen Geiseln gefülltes Restaurant als Ort der 'Befragung' gestürmt.
Was dann folgt, ist die nächste, nun aber tatsächliche Erinnerungstäuschung für den Beobachter, wird doch wie bei Chan sonst immer selbst, hier nun aber ohne ihn gekämpft, mit allerlei Mobiliar agiert und interagiert, zufällig herumstehenden Gegenstände zweckentfremdet und damit die (arabisch aussehenden) Schergen vermöbelt und zuweilen auch ordentlich malträtiert und lädiert; es wird fleißig geschossen, es wird gestochen, Knochenbrüche sind zu sehen, einem wird die Hand in heißem Fett geschmort, die Hauptakteure der forschen Prügelei zwei junge Chinesen, die zusammen addiert etwa das Alter von 'Häuptling Knollennase' haben und hier als Art Nachfolger in spe durch die Szenerie wirbeln. Die Bewegungen sind schneller als zuletzt gesichtet, die Kombinationen agiler, die Schläge und Tritte härter, Chan, der auch nicht jünger wird, scheint die Unkenrufe zu beherzten und seine Erfahrung an die nächste Generation weiterzugeben und seine Reputation als Unterstützung für die Neulinge auszuhändigen.
'Captain China' ist also nicht im Intro dabei, dann aber später, bei der nächsten Rettungsmission in Afrika, dass hier klein wie ein Dorf ist (gedreht wurde in Sambia), wo mit Löwen im gleißenden Sonnenlicht gekuschelt wird und die Haare im Wind geweht, wo natürlich auch die bösen Wildräuber in der Gegend herumlungern und nur ein zartes chinesisches Mädchen als letzte Bastion der Bewahrung der heimischen Fauna besteht. Gedreht ist das Ganze von Tong typisch primitiv bis naiv, die Bilder im Farbfilter auf Anschlag getränkt bis ertränkt, die Namen aller Beteiligten wie aus dem Kinderbuch gezogen und das Schauspiel, die Dialoge und die Dramaturgie auch von daher kopiert. Immerhin lässt die nächste Schießerei nicht lang auf sich warten, ein Standoff in der Steppe, bei der emsig die Patronen verteilt werden und der Gegner im Nahkampf erledigt und einmal sogar ein armer Halunke von einem Raubtier massakriert.
Ansonsten viele malerische Sonnenaufgänge und -untergänge, eine reißerische Hatz mit Jetski in Stromschnellen, ein Phantasialand namens Jiadebala als Kriegszone, eine zweite 'Captain China' Referenz ("Captain China is way better than Captain America!"), ein paar Ansprachen von Chan als Chef im Hintergrund, der hier eher sowas wie den General Commander, ein erweitertes blasses, auch irgendwo unsympathisches und präzenzarmes Cameo und die Verstärkung im Ernst- und Notfall und dann selbst im Kugelhagel und mit fast 70 eher den Kasper mit Pottschnitt als den toughen Heroen und so nur halbherzig (aber immerhin) eine adäquate Altersrolle gibt. Ein Aufmarsch der heimischen Eliten, das Beschwören von Triumph und Ethos, und Pathos und Loyalität, das Infiltrieren und Stürmen einer Terroristenhochburg in der Wüste, wo erneut gefeuert wird, dass buchstäblich die Rohre glühen. Trefferwirkung ist übrigens vorhanden, allerdings natürlich doch eher bei Material als bei Menschen, die, wenn dann eher unblutig umfallen oder mal an so etwas 'unwichtigem' wie Schulter oder Bein verletzt werden; was dann mal zu Tränen voll Trauer und dann schnell wieder zu Tränen vor Glück führt. Das Problem ist eigentlich, dass hier nichts so richtig mitreißt und nichts so richtig interessiert, die Produktion ist deutlich aufwändig und viele der größeren Spektakel wie später noch eine mehrteilige Autojagd in Dubai sind tatsächlich vor Ort und eben real gedreht, hat es allerdings stets und dies auch stets negativ auswirkend den Anschein einer überbordenden Künstlichkeit, die zusätzlich noch zu (teils nötigen, aber schlechten und teils unnötigen und weiterhin schlechten) Effekteinsatz vieles an Wirkung beraubt und dem Film trotz mancher realer Stunts und Einsatz aller Beteiligten die Bodenständigkeit nimmt.
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