Eine Kritik von Intergalactic Ape-Man (Bewertung des Films: 6 / 10) eingetragen am 26.11.2020, seitdem 80 Mal gelesen
Schüsse aus einem auf den Zuschauer gerichteten Pistolenlauf. Unter den dynamisch geschwungenen Lettern “Der Zinker” fährt ein Wagen vor. Bobbies jagen feuernd durch die diesigen Gassen. Eine schemenhafte Gestalt sieht sich hektisch um. Die Turmuhr schlägt Elf. Die Rollen in den Credits sind englisch, doch die Schauspieler sind Deutsche.
Kein “Hallo, hier spricht Edgar Wallace…” tönt aus den Lautsprechern. Diese Erfindung zu den blutigen Einschüssen entspringt den 60er Jahren, erstmalig übrigens im Jubiläumsfilm Nr. 12 der Reihe – Der Zinker von Alfred Vohrer. Doch die Verfilmungen der Geschichten des ehemaligen Kriegsberichterstatters und Journalisten, dem englischen Kriminalautor Edgar Wallace, haben eine weit längere Tradition. Veröffentlichte dieser seinen ersten Roman 1905, so sollte es noch 10 Jahre dauern, bis mit Nurse and Martyr eine seiner Geschichten über die Leinwände flimmerte.
Auch in Deutschland besann man sich früh einer Umsetzung der erfolgreichen Werke eher trivialer Literatur. Die heute als verschollen geltenden Stummfilme Der große Unbekannte von 1927 undDer rote Kreis von 1929 waren der Auftakt für die deutsche Liebschaft zum englischen Kriminalautoren. Die deutsch-britische Co-Produktion Der Würger von 1929 scheiterte beim Publikum zwar desaströs, was jedoch kein Hindernis für die Ondra-Lamac-Film GmbH gewesen zu sein scheint, von März bis April 1931 die Dreharbeiten an Der Zinker in Prag und dem Efa-Atelier in Berlin-Halensee aufzunehmen.
Der im Original The Squeeker getaufte Erfolgsroman erschien erstmals 1927. Eine deutsche Übersetzung ließ nur ein Jahr auf sich warten. Fast zeitgleich wurde schon ein Theaterstück auf den englischen Bühnen aufgeführt, dessen Übersetzung ebenfalls bald nach Deutschland gelangen sollte. Ähnlich verhielt es sich mit einer Verfilmung, kam doch eine englische Adaption im Juni 1930 in die Kinos auf der Insel. Das besondere hierbei: Autor Edgar Wallace schrieb höchstselbst auch das Drehbuch und führte Regie.
Für die deutsche Verfilmung Der Zinker nahm Produzent Carl Lamac das Heft selbst in die Hand und drehte unterstützt von Martin Fric ein durchaus spekulatives Werk, welches so einige Kriminalfilm-Trademarks aufweisen kann. Am Drehbuch arbeiteten Rudolph Cartier sowie Otto und Egon Eis, wobei erwähnenswert ist, daß der Vohrer Film von 1963 ebenfalls auf einem Treatment von Egon Eis beruht, jedoch nahezu nichts außer dem Titel mit dem Roman Der Zinker oder der Verfilmung von 1931 gemein hat.
In der nächsten Szene aus Der Zinker steht ein Mann nächtens unter einer Laterne. Er trägt einen Trenchcoat und einen Hut. Er raucht eine Zigarette. Ein Blick auf die Armbanduhr verrät, daß er auf etwas wartet. Ein PKW fährt zügig vor. Ein Schnaufen ertönt, als er dicht am Bordstein vor der wartenden Person zum Stehen kommt, die einen Schritt zurück treten muß.
Mit forscher Stimme wird er aus dem Wagen angewiesen, seine Position zu halten. Der Blick richtet sich auf einen markant gezeichneten Daumennagel der Hand, welche das Lenkrad im Halbdunkel des Wagens umfasst.
Man verhandelt hart um Diamanten, die der Mann an der Straße erst noch zu stehlen gedenkt. Doch Harry, so spricht der Mann im Wagen den Mantelträger an, mag sich nicht dem Preisdruck des potentiellen Käufers beugen. Daß ihm nichts dazwischen komme, verweist dieser und tritt aufs Gas.
Schon klärt uns eine Schreibmaschinennotiz darüber auf, daß der Raub bereits beim New Scotland Yard angekündigt wurde. Hier wundert man sich selbst über diese Nachrichten, deren Angaben immer stimmen würden. Der Zugriff kann erfolgreich erfolgen. Juwelen-Harry wurde offensichtlich verzinkt.
Beim New Scotland Yard hätte man gar keine Schwierigkeiten mit dem Zinker, wäre da nicht der Umstand, daß der Verräter nur dann seine Tips gäbe, wenn ein Dieb seiner erpresserischen Hehlerei nicht klein beigeben würde. Und nach einem Mord wird es schließlich brenzlig. Das Schauspiel sucht die Kulissen in der Umgebung von Suttons Import-Export-Geschäft – und was dem Zinker bestens zu Gesichte steht – dem Spielermilieu im Gentleman Club Leopard.
Nicht viel Besonderes läßt sich in dem Verwirrspiel ausmachen, bedenkt man, daß gerade Fritz Lang in seinem Dr. Mabuse – Der Spieler schon atemberaubend viel aus ähnlichen Versatzstücken geholt hat. Es liegt also nur bedingt am Zahn der Zeit, daß Der Zinker etwas angestaubt wirkt. Doch auch die noch mangelhaften Möglichkeiten Dialog und Musik nachträglich zu mischen macht sich bemerkbar. So laufen eben viele Szenen ohne atmosphärische Unterstützung, abgesehen vom leichten Rauschen und Knistern der raren Nitrokopie anhand derer dieses ebenfalls verschollen geglaubte Werk überhaupt restauriert werden konnte. Wer sich nicht Purist schimpft, darf diesen Umstand sicher mittels der neu bearbeiteten Tonspur aushebeln, die Komponist Florian C. Reithner mit Musiken eingespielt durch das Staatsorchester Braunschweig versüßt.
Doch ist es eben nur eine Krücke, die nicht gegen die eigentliche Crux wirken kann. Der Zinker ist gerafft auf knappe 68 Minuten eine sich überlagernde Collage aus möglichen Verdächtigen. Nebel, Schatten, finstere Gestalten, zwielichtige Frauenbilder, gar eine Liebelei oder interessante Perspektiven – sie alle kommen vor, werden jedoch nur hektisch angerissen, ohne sich einer Vertiefung zu erfreuen.
Wohl ist es der Besetzung und Führung zu verdanken, daß sich stereotype Rollenbilder schnell etablieren. Das Herz schlägt schnell für die liebreizend eingeflochtenen weiblichen Figuren. Ein Darsteller wie Fritz Rasp hingegen wird über seine ihm eigene Art alsbald für düster befunden. Paul Hörbiger läßt mit viel Wiener Schmäh vergessen, daß man sich in England befinden wollte. Außerdem überspielt sein lebenslustiger Charme die eigentliche Forschheit des Reporters Joshua Harras, welchen er verkörpert.
Es sei nicht verschwiegen, daß man sich ebenso dazu hinreißen ließ, die so vorzügliche Lenkung seines Publikums zur Irreführung zu mißbrauchen. Die Pointe, einzig noch mit einem lodernden Autostunt aus dem dialogreichen Hauptteil empor gerissen, ist schließlich ein Scherz, der auch Kenner der Materie an der Nase herumführen mußte.
Und das war es eben auch schon. Ein kurzes Vergnügen bietet Anlaß zur Kurzweil. All dies ist handwerklich durchaus gut umgesetzt. Nur gedenkt man wenig der hohen Kunst des Filmemachens. Sich eines so preiswerten Taschenspielertricks am Ende zu bedienen belegt eine gewisse Hilfslosigkeit des Stoffes gegenüber. Ohne die Ehrfurcht vor dieser dankenswerterweise aus den Archiven geretteten Rarität zu verlieren, darf man wohl behaupten, daß die Enge um den zum Morden getriebenen Zinker nur mäßig spannend ausfällt.
Auch wenn die Form des Kriminalschwanks insgesamt schon dem ähnelt, was in den 60ern zum Erfolgsrezept wurde, ist dieser Streifen alles in allem lediglich durchschnittlich gut. Im folgenden Jahr zeigte sich Carl Lamac mit der Verfimung Der Hexer dann steigerungsfähig.
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