Eine Kritik von buxtebrawler (Bewertung des Films: 4 / 10) eingetragen am 14.12.2020, seitdem 87 Mal gelesen
„Diese kleinen, anscheinend unwichtigen, sentimentalen Anachronismen können überraschende Durchschlagskraft entwickeln. Ich will nicht, dass meine Pläne von einem alten Märchenonkel im roten Anzug durchkreuzt werden!“
Bei US-Regisseur Les Mayfields („Steinzeit Junior“) „Das Wunder von Manhattan“ aus dem Jahre 1994 handelt es sich um ein Remake des gleichnamigen, mir jedoch unbekannten und diesseits des Atlantiks generell weniger populären US-amerikanischen Weihnachtsfilms aus dem Jahre 1947.
„Das wünsche ich mir zu Weihnachten: ein Haus, einen Vater und einen Bruder!“ (Bescheiden: Susan Walker)
Schauplatz Manhattan: Die Kaufhausangestellte und alleinerziehende Mutter Dorey Walker (Elizabeth Perkins, „Nochmal so wie letzte Nacht“) organisiert alljährlich eine große Weihnachtsparade, zu der der Weihnachtsmanndarsteller jedoch betrunken aufkreuzt und kurzerhand entlassen wird. Seinen Job bekommt spontan Kris Kringel (Richard Attenborough, „Jurassic Park“) überantwortet, ein etwas kauziger älterer Herr, der dem Weihnachtsmann wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Da er seiner Tätigkeit mit viel Herzblut nachgeht und Kinder wie Erwachsene zu begeistern versteht, wird er auch gleich als Kaufhaus-Weihnachtsmann angeheuert und kurbelt die Umsätze im Weihnachtsgeschäft kräftig an. Mit dem Brustton der Überzeugung behauptet Kringle von sich, der echte Weihnachtsmann zu sein, was für einige Irritationen sorgt, aber auch die Einzelhandelskonkurrenz auf den Plan ruft: Diese intrigiert gegen Kringle und zerrt ihn vor Gericht, wo er beweisen muss, der wahre Santa Claus zu sein. Auch Doreys sechsjährige Tochter Susan (Mara Wilson, „Mrs. Doubtfire“) zweifelt an Kringles Identität und verlangt von ihm, ihr ihre drei Wünsche zu erfüllen: ein Haus, einen Vater und einen Bruder…
„Sie halten mich für einen Schwindler, nicht wahr?“
Dieses als sehr kinderfreundlicher Familienfilm konzipierte Remake führt mit der sechsjährigen, neunmalklugen Susan eine höchst nervige und unsympathische Rolle ein, die in den Augen der Filmemacher jedoch offenbar als Identifikationsfigur für die jüngsten Zuschauerinnen und Zuschauer fungieren soll. Augenzwinkernde Bilder wie die einer Kneipe voller betrunkener Weihnachtsmänner lassen zwischenzeitlich auf komödiantisches Potential hoffen, doch stattdessen steht zunächst die demonstrativ unglücklich verlaufende Romanze zwischen Dorey Walker und dem Anwalt Bryan Bedford (Dylan McDermott, „M.A.R.K. 13 – Hardware“) im Vordergrund, einem orthodoxen Christen, der gleich mit der Tür ins Haus fällt und der völlig überrumpelten Dorey einen Verlobungsring aufzunötigen versucht. Ein fanatischer Freak also, der einem jedoch ebenfalls als positive Bezugsfigur verkauft werden soll.
„Ich bin nicht nur eine wunderliche Gestalt, die einen hübschen Anzug trägt und sich eines fröhlichen Gebarens befleißigt. Verstehen Sie, ich… ich bin ein Symbol. Ein Symbol, der menschlichen Fähigkeit, durch die es möglich wird, sich freizumachen von Selbstsucht und hasserfüllten Neigungen, die den größten Teil unseres Lebens bestimmen.“ (Kringle hält sich offenbar für Jesus)
Dass eine Imagekampagne Santas Ruf wiederherstellen soll und „Das Wunder von Manhattan“ zu einem aufgrund der „In God We Trust“-Inschrift auf der Dollarnote positiv ausgehenden Gerichtsfilm wird, klingt beinahe satirisch, ist aber offenbar – trotz als Farce inszenierter Verhandlung – im Grunde ernstgemeint. Man gibt vor, den Glauben an den Weihnachtsmann in Person Kris Kringles und damit an die „wahren Werte“ des Weihnachtsfests reaktivieren zu wollen, macht daraus jedoch in Wirklichkeit ein Loblied auf Religionen und verurteilt agnostische Zweifler(innen) und Atheist(inn)en in Kringle in den Mund gelegten Dialogzeilen wie dieser:
„Wenn Sie nicht imstande sind zu glauben und wenn Sie überhaupt nichts, allein durch Glauben, anerkennen, dann sind Sie verurteilt zu einem Leben, das von Zweifeln beherrscht wird.“
Mit dieser Art antiwissenschaftlicher und proreligiöser Propaganda soll also bereits das jüngste Publikum infiltriert werden, auf die der Film tatsächlich lustig, nett und unterhaltsam wirken dürfte. Und auch ein erwachsenes Publikum wird nur schwer umhinkommen, Attenboroughs charmantes Schauspiel nicht zu goutieren und sich an der gelungenen Einarbeitung verschiedener Weihnachtslieder in die ansonsten orchestralbombastische Musikspur nicht zu erfreuen. Das vollumfängliche Happy End, an dem zu allem Überfluss sogar geheiratet wird, macht es einem schließlich aber umso leichter, diesem erzkonservativen Heile-Welt-Kitsch den Einlass in die Reihe verdienter Weihnachtsfilmklassiker zu verwehren. Dann doch lieber zum x-ten Male „Silent Night, Deadly Night“ oder „Black Christmas“. Denn wenn zu einem derart religiösen Film sogar das von der Katholischen Filmkommission herausgegebene „Lexikon des internationalen Films“ schreibt, „[d]ie satirischen Seitenhiebe des Vorbildes verkommen zu plumpen, verlogenen Botschaften“, muss wirklich eine ganze Menge faul sein…
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