Performance (1970)

Am 3. August 1970 kam ein Film in die Kinos, der zuvor knapp zwei Jahre zurückgehalten worden und nach seiner Premiere gemischt aufgenommen worden war, heute jedoch als einer der einflussreichsten britischen Filme seiner Zeit gilt. “Performance” ist das Produkt zweier Regisseure: Nicolas Roeg inszenierte den Film gemeinsam mit Donald Cammell, der auch das Drehbuch schrieb. Während Roeg späterhin mit Filmen wie “Don’t Look Now” (1973), “Man Who Fell to Earth” (1976) oder “Eureka” (1983) als einer der großen britischen Regieexzentriker neben Ken Russell in die Filmgeschichte eingegangen ist (und auf viele große britische Regisseure wie Danny Boyle, Guy Ritchie, Christopher Nolan oder Jonathan Glazer als Inspirationsquelle gewirkt hat), blieb Cammell letztlich etwas weniger populär. Unverdientermaßen, denn Cammell – der kurioserweise im heute Camera Obscura betitelten Outlook Tower nahe Edinburgh aufgewachsen ist, was eine Karriere im Filmgeschäft geradezu schicksalhaft erscheinen lässt – schuf mit “Demon Seed” (1977) und “White of the Eye” (1987) ungeschönte Genrereißer, arbeitete an einem Filmprojekt mit William Burroughs und trat für Kenneth Angers “Lucifer Rising” (1973) vor die Kamera (nachdem er schon als Jugendlicher über seinen Vater mit Aleister Crowley und dem Satanismus Erfahrungen sammelte). Die Lust am Ungezügelten, Anrüchigen und Skandalösen durchzieht auch “Performance”, in dem unter anderem Kamerafahrten in Einschusslöcher hineinführen, womit der Film – nomen est omen! – auch performative Filmkunst à la Dario Argento, Gaspar Noé oder Oliver Stone beeinflusst haben dürfte. “Performance” erzählt unter anderem mit Mick Jagger und Anita Pallenberg in tragenden Rollen von einem in Ungnade gefallenen Gangster, der sich auf der Flucht bei einem Ex-Rockstar einquartiert, der mit zwei Frauen in freier ménage à trois lebt und den Eindringling trotz anfänglicher Abneigung nachhaltig mit seinem Lebensstil beeinflussen wird. “Performance” ist aber natürlich auch ein Roeg-Film: gleich zum Einstieg voller wilder Schnitt-Exzesse, für die Roeg weit mehr noch als Cammell berüchtigt wurde. Auch der offene Umgang mit Sexualität und untypischen Männerbildern sollte bei Roeg noch mehrfach anzutreffen sein. Damit atmet der Film jede Menge Zeitgeist als 1968er-Produkt, ist aber insgesamt in seinem Tonfall so grimmig, düster und pessimistisch, dass die Veröffentlichung nach dem von einem kruden Mordfall getrübten Altamont Free Concert, auf dem auch Jagger bzw. die Rolling Stones auftraten, im Rückblick passender erscheinen muss. Nachdem der Film anfangs keinen übermäßig großen Erfolg erzielen konnte, avancierte er ganz besonders nach Cammells Tod im Jahr 1996 zum einem Kultklassiker: immer wieder wird er zu den besten britischen Filmen gezählt, zu einem der großen Film-Meisterwerke über (sexuelle) Identität, zu einem der großen Filme aus dem Sex-, Drugs- und Rock’n'Roll-Umfeld…
Die alte deutsche Warner-DVD (Fassungseintrag von Rufus T. Firefly) ist mittlerweile vergriffen und wird meist nur ziemlich überteuert angeboten; die Neuauflage erfolgte leider im zweifelhaften Warner Archive Collection-Rahmen. Hingegen ist die alte britische Warner-DVD (Fassungseintrag von savethegreenplanet) noch recht preiswert erhältlich.

1. PierrotLeFou sagt:

   1. Oktober 2020 um 08:02

   Kleiner Bonustitel zum Weltmusiktag…