“Unamerikanisch” nannte John Wayne, Urgestein und Legende des wohl amerikanischsten Filmgenres ĂĽberhaupt, den Klassiker “High Noon” (1952) von Fred Zinnemann, in dem ein Sheriff zu Beginn seines Ruhestandes Solidarität und UnterstĂĽtzung sucht, um einen bald eintreffenden Mörder mit seiner Bande zu stelllen. Auch Howard Hawks hatte fĂĽr Zinnemanns Meilenstein nicht viel ĂĽbrig. Mit Wayne in der Hauptrolle schuf er so “Rio Bravo” (1959), der sich wie ein Gegenentwurf gibt (und zugleich eine Art Blaupause fĂĽr das spätere beklemmende Thriller-Kino eines John Carpenter wurde): Hier hat der Sheriff keinen Bedarf fĂĽr UnterstĂĽtzung; diese wĂĽrde bloĂź noch mehr MĂĽhsal bedeuten, wenn es sich nicht um vollständig professionelle Kräfte handeln sollte. Und so unterstĂĽtzt ihn nur ein kleiner enger Kern gegen eine Ăśberzahl von Feinden. Zwei weitere Western lieĂź Hawks noch folgen: “El Dorado” (1967) und “Rio Lobo”, der am 16. Dezember 1970 seine UrauffĂĽhrung erlebte. Beide werden als thematisch eng verwandt betrachtet, ja sogar als freie Variationen von “Rio Bravo”, sodass “Rio Lobo” bisweilen auch als Abschluss einer äuĂźerst losen Trilogie betrachtet wird, die bloĂź von Wayne, Hawks und einigen wiederkehrenden Motiven zusammengehalten wird. Tatsächlich hatte Hawks die Ă„hnlichkeit des Films mit “Rio Bravo” und “El Dorado” eingestanden – und diese Ă„hnlichkeit trug “Rio Lobo” bisweilen den Vorwurf des unoriginellen neuerlichen Aufgusses ein. Doch passt diese MĂĽdigkeit ganz gut zu Hawks’ letztem Film, in dem ein 63jähriger John Wayne brilliert: diesmal ganz ohne groĂźe Namen an seiner Seite. Schon in “El Dorado” war das Altern auch in den Film eingedrungen, auch wenn es dort noch eine Kugel war, die Waynes Arm zeitweilig das Opfer von Lähmungen werden lieĂź. “Rio Lobo” setzte zwar diese Zunahme von DĂĽsternis nicht konsequent fort, aber am Ende des Films schreiten die Figuren doch gezeichnet in die Zukunft: Wayne humpelt auf einem verwundeten Bein, die schöne Frau, die ihn stĂĽtzt, trägt eine riesige Narbe in ihrem Gesicht. Und die Zeit, so ahnt man, wird nicht alle Wunden spurlos heilen… Con Trai widmet sich in seinem lesenswerten Review Hawks’ Klassiker.
Zwei Tage vor diesem letzten Film Hawks’ kam am 14. Dezember 1970 der Western “Little Big Man” in die Kinos. Arthur Penn, der Regisseur, hatte drei Jahre zuvor mit “Bonnie and Clyde” (1967) den groĂźen Markstein des New Hollywood neben “The Graduate” (1967) abgeliefert (Anniversary-Text). Tatsächlich stammte er – wie Sidney Lumet oder Robert Altman – aus einer Generation, die sich Anfang der 50er Jahre beim Fernsehen (mit Live-Fernsehspielen) etablierte und noch zur Ă„ra des Classical Hollywood Kinofilme inszenierte. Schon 1958 inszenierte Penn einen Western: “The Left Handed Gun” mit Paul Newman. Aber mehr noch als ein Lumet oder Altman lieĂź Penn dann, mit “The Miracle Worker” (1962), EinflĂĽsse einer neuen Welle erkennen, die gerade in Frankreich toste. Hier zeichnet sich ab, dass einer aus dem Korsett des Classical Hollywood auszubrechen begann. Diesen Ausbruch stellte dann “Bonnie and Clyde” dar, dem Penn den höchst modischen “Alice’s Restaurant” (1969) mit Musiker Arlo Guthrie in der Hauptrolle folgen lieĂź. Der bereits auf die 50 zugehende Regisseur gab sich als Filmemacher einer neuen, jungen Generation – während zeitgleich ein “Easy Rider” (1969) zeigte, wie eine filmästhetische Hollywood-Revolution tatsächlich aussehen musste. “Little Big Man”, in der Hauptrolle besetzt mit “The Graduate”-Star Dustin Hoffman, mixt wie “Rio Lobo” Heiterkeit und Trauer in die Western-Story, ist weit deutlicher als “Rio Lobo” ein Film ĂĽber Westernmythen und das Altern – und letztlich doch ein gänzlich anderer Film, der viel New-Hollywood-Luft atmet, wohingegen Hawks mit seinem Wayne, der mit den 68ern so gar nichts gemeinsam hatte, dem klassischen Western auf hawkssche Weise folgte. Es geht – wie in vielen Spätwestern – um die Indianerkriege, von denen Dustin Hoffmans Jack Crabb 121jährig berichtet, nachdem er als Grenzgänger zwischen den WeiĂźen und den Rothäuten durch die Geschichte gegangen war. Es geht um die Ausrottung der Indianer, um den Verlust von Werten der WeiĂźen – und natĂĽrlich um Vietnam, welches in diesen Indianerkriegen spĂĽrbar mitvibriert, so wie es auch in “Soldier Blue” (1970) oder Marco Ferreris “Touche pas Ă la femme blanche” (1974) der Fall sein sollte. (Sowas allein wäre in einem John-Wayne-Vehikel kaum denkbar gewesen: In “The Green Berets” stemmte sich der Western-Star mit aller Macht gegen die Anti-Vietnam-Haltungen, die zunehmend um sich griffen.) Darauf macht auchMäcFly in seinem Review aufmerksam, das prägnant SchlĂĽsselmomente des Films benennt…
PierrotLeFou
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